In der Universitätsstadt Tübingen wurde um 1980 ein nach Süden orientiertes Hanggelände zur Bebauung mit Solarhäusern als Teil eines langfristigen Forschungsprogramms freigegeben. Es fand sich ein Bauherr, ein Biochemiker mit Neigung zur Botanik. Er von Berufs wegen an den Auswirkungen des Lebens mit subtropischen Pflanzen interessiert und hatte schon lange vom Bau eines Gewächshauses geträumt. Daher war er auch vorbereitet, für das verglaste Volumen zu zahlen, das ein Drittel des Grundrisses, nicht nur für energiesparende Maßnahmen einnimmt. Die Bauherren erstellten im Verlauf der Planung nicht weniger als sieben Modelle und beteiligten sich später auch am Bau. Der Bauherr ist außerdem ein leidenschaftlicher Sammler von Ammoniten. Dies passte zum Motto des Hauses, der Spirale sowie zum Rückzug nach innen zur zentralen Feuerstelle, etwa wie die Schnecke sich in ihr Gehäuse zurückzieht. Vorstellungen vom archetypischen Wohnen in Höhlen und Bäumen spiegeln sich in dem im Dunkeln endenden Wohnraum, der höhlenartig abschließt sowie in den oben wie in einem Baumhaus gelegenen Schlafräume.
Das ausgeführte Haus kann als lineare Abfolge der Räume von vorne nach hinten interpretiert werden und öffnet sich wie ein Trichter mit einer Kaskade aus Glas zum Sonnenlicht, während es an der Rückseite durch das große Ziegeldach und die Eingrabung in den Hang geschützt ist. Seitliche Flügel schützen das Glashaus und ermöglichen mehr Austausch als ein linearer Grundriss. Es handelt sich um einen Innen-/Außenbereich mit eigenem Mikroklima, der schnell mit Bananenstauden, Eukalyptus, Gardenien und anderen exotischen Pflanzen gefüllt wurde. Dadurch entstand ein angenehmer Aufenthaltsort für den Großteil des Jahres, quasi durch Verlängerung des Sommers. Auf einer Seite direkt daran angeschlossen ist der Essraum. An heißen Tagen ist dieser kühler als der Wohnbereich, aber trotzdem mit ihm verbunden; im Winter kann er durch eine gläserne Wand abgetrennt werden. An der Rückseite des Gewächshauses teilt eine weitere Glaswand das Treppenhaus ab, das auch als Lüftungsschacht dient. Dahinter und einige Stufen höher liegt der Wohnraum, der in den Hang eingegraben und auf den Kamin als seinen Mittelpunkt konzentriert ist. Die Schlafräume befinden sich oben, auf einer Seite die der Familie, auf der anderen ein Apartment als Einliegerwohnung.
Das thermische Konzept verlangte einen massiven inneren Kern aus 500 t Masse, während die äußeren und oberen Bauteile aus leichten Holzrahmen mit großzügiger Wärmedämmung bestehen. Die im isolierverglasten Haus eingefangene Solarenergie wird als Strahlung direkt in den Baumassen gespeichert, die erwärmte Luft kann durch Öffnungen in der Zwischenwand in das restliche Haus eindringen, überschüssige Wärme oben entweichen. Die Heizung erfolgt durch eine gasbetriebene Warmluftheizung, unterstützt durch die mit Holz beheizte offene Feuerstelle, die an der Rückseite einen eigenen Boiler hat. Alles funktioniert gut: Die Pflanzen gedeihen, der Energieverbrauch ist gering, und dank des thermischen Austauscheffekts der schweren Konstruktion, des Lüftungssystems und der Verdunstungskühle der Pflanzen wird das Haus im Sommer nicht überhitzt.
fertigstellung 1984
adresse Sonnenwendelhaus, Tübingen
bauherr Privat
zusammenarbeit Statik, Roland Riebl
Auszeichnung Auszeichnung guter Bauten 1987, Beispielhaftes Bauen 1995 Tübingen
baubeginn 1983
Sonnenwendelhaus
plus bauplanung
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